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Historische Kreolisierung und heutige Zugehörigkeiten in Ziguinchor (Senegal)

Jonas Klee

Mein Promotionsprojekt untersucht den Einfluss historischer Kreolisierungsprozesse auf den heutigen Umgang mit Zugehörigkeiten in Ziguinchor und Umgebung (Südsenegal). Ich studiere dies in der derzeitigen Periode der accalmie, der Beruhigung des jahrzehntelangen Casamance-Konflikts. Von Februar 2017 bis Februar 2018 führte ich hauptsächlich in Ziguinchor-Stadt ethnografische Feldforschung durch, mit kürzeren Aufenthalten in nahegelegenen Dörfern sowie in Dakar und Praia (Kapverden). In meiner Dissertation zeige ich, wie örtliche Zugehörigkeit und Zusammengehörigkeit in Ziguinchor vielfach ohne Konstruktion einer umfassenden kollektiven Identität auskommen. Gleichzeitig bedient sich diese Praxis der kreolischen Identitätskonstruktion eines Teils der Bevölkerung. Anders als beispielsweise in Bissau haben sich in Ziguinchor so offensichtlich portugiesisch-kreolische Merkmale wie etwa die Sprache Kriol nicht nachhaltig als dominante Merkmale einer gemeinsamen Stadtidentität durchgesetzt. Einen stärkeren kreolischen Einfluss gibt es dagegen auf Ebene der vorherrschenden Wertvorstellungen, die örtliche Zugehörigkeiten strukturieren. Je expliziter beispielsweise Menschen vor Ort ihre Zugehörigkeit zu Ziguinchor ausdrücken, desto eher beschreiben sie sich selbst als „gemischt“, was ihre Herkunft angeht. Ihre Gemischtheitbewerten sie dabei als etwas Positives und eher Außergewöhnliches. Für die Zugehörigkeit zu Ziguinchor ist hauptsächlich relevant, dass man selbst dort geboren und aufgewachsen ist. Spezifisch kreolische kulturelle Merkmale haben dennoch ihren festen Platz in Ziguinchor. Als Ort wird es noch mit diesen alten Traditionen in Verbindung gebracht, auch wenn sie selbst in der Altstadt nur noch einen Teil der ansässigen Familien kennzeichnen. Für die meisten dient ihr Vorhandensein vor allem als Erinnerung daran, dass der Ort Ziguinchor selbst im Ursprung eine „gemischte“ Identität hat, also keine ethnische oder religiöse Gruppe besondere Ansprüche stellen kann. Unmittelbar an Ziguinchors portugiesisch-kreolische Traditionen anknüpfen können dagegen Einwohner mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte aus dem Nachbarland Guinea-Bissau. Trotz vielfacher rechtlicher Schwierigkeiten aufgrund fehlender oder falscher Papiere können sie damit an diesem Ort selbstverständlicher dazugehören als andernorts im Senegal.

Laufzeit

2016 - 2021

Finanzierung

Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, Forschungsgruppe „Integration and Conflict along the Upper Guinea Coast“ (2016–2020)

Betreuung

Prof. Dr. Jacqueline Knörr

Prof. Dr. Olaf Zenker

Email

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